Fusion HWW und HSE


Was bedeutet die Zusammenführung von HSE und HWW?

Hamburgs Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Dr. Michael Freytag, kündigte am 23. August 2005 in einer Pressekonferenz die zum 1.Januar 2006 vorgesehene Zusammenfassung von Hamburger Stadtentwässerung  (HSE) und Hamburger Wasserwerke GmbH (HWW) unter dem Dach eines „Gleichordnungskonzerns“ an.

Diese seltene Konzernform bedeutet, dass zwei oder mehrere Unternehmen unter einheitlicher Leitung, aber wirtschaftlich selbständig und ohne wechselseitige finanzielle Beteiligung geführt werden.

Diese Zusammenführung überrascht nicht, denn bereits im Frühjahr 2004 hatten HSE und HWW mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde eine von beiden Unternehmen gebildete Arbeitsgruppe eingesetzt, um die möglichen wirtschaftlichen Vorteile einer Fusion zu untersuchen. Darüber hinaus wurden Anwaltsfirmen beauftragt, die rechtlichen Voraussetzungen eines Firmenzusammenschlusses zu prüfen. Die HSE ist eine Anstalt öffentlichen Rechts, die von den Bürgern zu zahlenden Entgelte sind Gebühren und als solche steuerfrei. Die HWW sind dagegen eine GmbH und auf das Wassergeld wird der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent erhoben. Die HSE hat darüber hinaus in einem sogenannten Cross Border Leasing Verfahren ihre eigenen Kläranlagen geleast, was rechtlich umstrittene Besitzverhältnisse zur Folge hat.

Eine Zeit lang hieß es, dem Unternehmenszusammenschluss stehe die unterschiedliche steuerliche Behandlung im Wege. Dies ist jedoch faktisch bei einer Vielzahl von in der Regel städtischen Wasser- und Abwasserbetrieben bisher kein Problem gewesen. Das Argument wird normalerweise von privaten Abwasserfirmen, die der vollen Mehrwertsteuerpflicht unterliegen, im Interesse einer steuerlichen Gleichstellung im angeblichen Wettbewerb mit öffentlichen Betrieben bemüht.

Warum aber wird es demnächst zum „Gleichordnungskonzern“ mit zwei Unternehmen kommen, die bislang bis auf die gemeinsame Rechnungsstellung völlig selbständig und mit Erfolg tätig waren? Die von Senator Freytag sowie von HSE-Geschäftsführer Funke und HWW-Geschäftsführer Dr. Beckereit genannten Gründe bedürfen einer näheren Betrachtung.

Unser Wasser Hamburg hält sie für oberflächlich und zum Teil unrichtig, insgesamt für kaum aussagekräftig. Damit stellt sich die Frage, wie ernsthaft  politische Argumente beim Umgang mit öffentlichem Eigentum sind. Die Bürger als gemeinschaftliche Eigentümer haben einen demokratischen Anspruch auf öffentliche Rechenschaft und verantwortliches Handeln.

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Fusion: Neues Personal durch neue Kunden und Vermarktung von Know-how?

Neues Personal, so soll von der Öffentlichkeit angenommen werden, könnte laut HWW-Geschäftsführer Beckereit „durch neue Kunden im Norden und die Vermarktung von Know-how in den baltischen Staaten, in St. Petersburg, im nahen Osten und in Ost­asien, unter anderem Shanghai, beschäftigt werden“.

Die bisherigen Aktivitäten der HWW-Tochtergesellschaft Consulaqua wurden im Abwasser­bereich zum Teil von der HSE unterstützt. Die Auslandprojekte sind Beratungstätigkeiten, die nur wenig Personal über längere Zeit binden. Der heftige Wettbewerb von Ingenieurbüros und Consultingfirmen auf den internationalen Märkten lässt die Annahme, dort ließen sich Auf­träge mit größeren positiven Beschäftigungsfolgen für den Gleichordnungskonzern ge­winnen, als leichtfertig erscheinen.

Jedenfalls muss für solche Engagements der Grundsatz gelten, dass sich das wirtschaftliche Risiko nicht negativ auf die VerbraucherInnen auswirken darf.

Andererseits kann UWH es der Kommunalpolitik nicht verdenken, wenn man mit zwei leis­tungsfähigen öffentlichen Unternehmen erst mal renommiert und rhetorisch einen Schluck über die Verhältnisse nimmt. Jedenfalls das wird keinen direkten Schaden anrichten.

Hinsichtlich der neu zu gewinnenden Kunden im Norden, wobei in erster Linie Schleswig-Holstein gemeint sein dürfte, bleibt es bei einer Andeutung. Kunden gewinnen kann heißen, Beratungsleistungen zu erbringen, die Betriebsführung über Konzessions-, das heißt Dienst­leistungsverträge zu übernehmen oder, noch weiter gehend, die Betriebsführung mit eigenen Investitionen zu ergänzen oder die Versorgung mit Trinkwasser aus HWW-Wasser­werken zu übernehmen respektive das in einem noch nicht angeschlossenen Gebiet anfal­lende Abwasser in die Klärwerke der HSE überzuleiten.

 

Neben der Vielzahl dabei auftauchender Einzelfragen stellen sich einige grundsätzliche:

– Dient das alles nur der Gewinnsteigerung? Was nützt dies den Wasserverbraucherinnen und -verbrauchern in Hamburg?

– Wird hier nicht möglicherweise ein Verdrängungswettbewerb zu Lasten kleiner Gemeinden oder von Wasser- und Abwasserverbände betrieben, wie er von den großen monopolitischen Privatkonzernen bereits seit einiger Zeit vorgemacht wird? Ist dies die Aufgabe öffentlicher Unternehmen, die sehr gewinnträchtig bereits in ihrem angestammten Gebiet arbeiten?

– Was bedeutet das für die langfristige lokale Strukturpolitik und die demokratische Ent­schei­dungsfähigkeit der kleinen Gemeinden und ihrer Bürgerinnen und Bürger? Wer definiert und beachtet deren Interessen?

– Spielt bei solchen Überlegungen überhaupt die wasserwirtschaftliche Sinnhaftigkeit oder fachliche Vertretbarkeit eine Rolle? Denn es ist unter dem Aspekt einer nachhaltigen, naturverträglichen und qualitativ hochwertigen Wasserversorgung nicht gleichgültig, wo und wie das Wasser (in Norddeutschland bislang fast ausschließlich Grundwasser) entnommen wird. Auch die bestmögliche Behandlung und Einleitung von Abwasser geht über die Frage reiner Kundengewinnung hinaus. Darüber schweigen sich der auch für Umwelt zuständige Senator und seine Geschäftsführer aus.


Fusion: Was durch die Zusammenlegung an Arbeit entfällt, wird durch neue Aufträge wieder reingeholt?

HSE-Geschäftsführer Funke, der im Oktober 2005 in den Ruhestand geht: „Was durch die Zusammenlegung an Arbeit entfällt, wird durch neue Aufträge wieder reingeholt.“

Im Unterschied zum Senat redet Funke zumindest ansatzweise Klartext. Natürlich soll Per­sonal eingespart werden. Funke nennt den Bereich Informationstechnologie und das Perso­nalwesen. Da in beiden Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen vorerst ausgeschlos­sen sind, wird der Abbau durch Ausscheiden aus Altersgründen, natürliche Fluktuation und das vermehrte Angebot von Vorruhestandsregelungen erreicht werden, ohne dass die frei werden­den Stellen ersetzt werden dürften.

Inzwischen wächst die Einsicht, dass volkswirtschaftlich und für den Haushalt der Kommu­nen die Frühverrentung eine schlechte Lösung ist. In der öffentlichen Wirtschaft, deren politi­sche Lenker sich nicht selten so aufführen, als ob sie Kommunalbetriebe wie Konkurrenten auf dem Markt zu führen hätten, nimmt die isolierte Gewinnbetrachtung zu. Effizienz, ein Lieblingsbegriff zeitgenössischen Wirtschaftens, schrumpft auf Kosten- und Gewinnbetrach­tung zusammen.

Die deutsche Wasserwirtschaft verdankt ihren hohen Leistungsstand, der gesetzliche Vor­schriften vor allem in der Trinkwasserversorgung häufig überschreitet, gerade nicht dem Wettbewerbsdruck und dem Streben nach möglichst schlanker Personal- und Kostenstruk­tur. Sie hat vielmehr den vorhandenen politischen und ökonomischen Spielraum dazu be­nutzt, ein für die Kunden sehr vorteilhaftes Leistungsniveau aufzubauen. Wer die Wasser­wirtschaft nicht kennt oder sie als eine Art von Business unter vielen anderen betrachtet, wird diesen Vorteil kaum achten. Er wird dann auch leicht bereit sein, ihn zu opfern.

Das verbessert zwar die Bilanz, geht aber bald auf Kosten der Substanz. Im Personalsektor wird dies für die Kunden noch am wenigsten auffallen. Je tiefer die Personaleinschnitte in den technischen Bereich gehen, desto mehr wird sich die noch sehr gute Anlagenqualität insbe­sondere bei den Anlagen in Hamburg durch dann kaum vermeidbare Oberflächlichkeit und die Gewöhnung an Einsparungen als den obersten Maßstab ausdünnen. Das gefährdet die Qualität der Trinkwasserversorgung und die Versorgungssicherheit.

In diesem Zusammenhang wird gerne darauf verwiesen, dass sich der noch einigermaßen gute Personalbestand ja sehr leicht und gewinnsteigernd durch Beauftragung womöglich billigerer Privatfirmen senken lasse. Nicht nur die Wasserwirtschaft zeigt, dass „hauseige­nes“, auf lan­ger Erfahrung und engem Austausch zwischen den Mitarbeitern beruhendes Wissen eine we­sentliche Leistungsvoraussetzung ist. Wo es fehlt, das zeigen mittlerweile viele Beispiele, nimmt die Zahl der Fehler deutlich zu. Die Wasserwirtschaft, die Trinkwas­serversorgung voran, ist jedoch keine x-beliebige Tätigkeit, die „auf Risiko gefahren“ werden sollte. (Nach der Teilprivatisierung in Berlin ist dies auch im Abwasserbereich zunehmend der Fall, wie BWB-Mitarbeiter bestätigen.)

Selbst wenn, wie Funke meint, neue Aufträge den Personalschwund ausgleichen könnten, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, wo eine noch tolerable Personalverknappung stattfin­den soll, kann und darf. Was ist im Verständnis von Funke und Kollegen das „Kernge­schäft“, in dem Mitarbeiter nicht mehr gebraucht werden?