Bürgerschaftsdebatte


Bürgerschaftsdebatte über Privatisierung der HWW

Regierungskoalition drückt sich erneut um klare Stellungnahme

In der Bürgerschaftsdebatte vom 21. Mai 2003 über den Antrag der GAL- und der SPD-Fraktion, im Hamburgischen Wassergesetz ein Privatisierungsverbot der öffentlichen Wasserversorgung festzuschreiben, hat sich der Senat erneut um eine Antwort über die Zukunft der HWW gedrückt. Damit wird eine seit Monaten betriebene Praxis fortgesetzt, das Parlament und die Öffentlichkeit mit vorsichtigen Ankündigungen, halben Dementis und ausweichenden Floskeln über die Privatisierungsabsichten des Senats im Unklaren zu lassen und eine Diskussion zu unterlaufen.

Bei einem zentralen Politikbereich wie dem Umgang mit öffentlichem Eigentum fordert die Volksinitiative gegen die Privatisierung der HWW „UNSER-WASSER-HAMBURG“ den An­spruch der Bürger ein, die von der Regierung gewählten Kriterien zu kennen und überprüfen zu können. Das gilt insbesondere für den elementar wichtigen kommunalen Versorgungs­auftrag mit Trinkwasser.

Bisher hat sich der Senat auch bei Kleinen Anfragen zu Verkaufsabsichten, zuletzt bei der­jenigen des FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Rumpf (Bürgerschaftsdrucksache 17/2548), einer konkreten Stellungnahme selbst zu öffentlichen Äußerungen von Senatsmitgliedern entzogen. In ihnen wurde mehrfach zumindest eine Teilprivatisierung der HWW nicht ausgeschlossen, so Interviewäußerungen der Senatoren Peiner und Rehaag.

Solche Äußerungen widersprechen bereits der Grundaussage des Senats in der Antwort auf die genannte Kleine Anfrage. Sinngemäß sei der Senat noch nicht damit befasst, nach welchen Kriterien die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Privatisierung der HWW zu bewerten und zu entscheiden sei.

Die vom Senat behauptete Zurückhaltung bis zum Sommer, wenn die Prüfkriterien für Privatisierungen vorgelegt werden sollen, hält einzelne Senatoren und Abgeordnete nicht von weitreichenden vorweggenommenen Wertungen ab. Sowohl die Abgeordneten Kruse und Freytag von der CDU als auch der Abgeordnete Lorkowski von der Schill-Partei erklärten in der Bürgerschaftsdebatte, ein Mehrheitsverkauf der Wasserwerke komme nicht in Frage.

Daraus dürften erfahrungsgemäß drei Schlüsse zu ziehen sein. Erstens: Im Senat und in der Regierungskoalition wurde über einen möglichen Verkauf der Hamburger Wasserwerke GmbH bereits geredet. Zweitens: Für einen Verkauf von mehr als 50 Prozent findet sich derzeit keine Mehrheit. Drittens: Per Umkehrschluss drängt sich die Folgerung auf, dass der Senat einen Verkauf der Wasserwerke nicht ablehnt, weil er sonst dem Antrag auf Privatisierungsverbot hätte problemlos zustimmen können.

Das unseriöse Verwirrspiel seitens der Regierungskoalition setzte sich in Debatten­äußerungen fort.  Der Abgeordnete Kruse sprach hinsichtlich der Privatisierungsfrage von einer Scheindebatte, weil der Verkauf nicht anstehe, obwohl er selbst zu einer möglichen Teilprivatisierung Stellung bezogen hatte. Der HWW- Aufsichtsratsvorsitzende Senator Rehaag schloss einen Verkauf der HWW lediglich aus Finanznot aus.

Der FDP-Abgeordnete Rumpf stellte darüber hinaus die Frage, was dagegen spreche, ein gesundes Unternehmen (nämlich die HWW) durch privates Kapital zu verstärken. Diese Frage stellt man nicht, wenn die Privatisierung eine Scheindebatte wäre. Die Frage kann obendrein als originell bewertet werden, weil bis dato noch niemand behauptet hatte, die außerordentlich investitions- und ertragsstarken Hamburger Wasserwerke bedürften des Kapitalzuflusses zur Geschäftsbesorgung. Originell ist auch die Vermutung, die Erlöse aus einem Verkauf der HWW würden nicht gänzlich in den Haushalt der Stadt fließen.

Der Abgeordnete Kruse ordnete die Äußerung einer SPD-Abgeordneten, es sei zu befürchten, dass gewinnorientierte Privatunternehmen die notwendigen Investitionen vernachlässigen würden, dem „Lehrbuch Kapitalismus für Anfänger“ zu. Ihm ist verborgen geblieben, dass in der 1989 privatisierten englischen Wasserversorgung rund ein Jahrzehnt lang genau so gehandelt wurde, bis die Regulierungsbehörde eingriff. Ähnliche Beispiele gibt es aus zahlreichen Städten in Drittweltländern mit teilprivatisierter Wasserversorgung.

Die gewöhnliche Ahnungslosigkeit bewies auch Senator Rehaag mit der Bemerkung, die Parole „Wasser sei keine Ware“, sei „abgeschmackte Ausverkaufsrhetorik und billige Polemik, die Angst schüren solle“. Offenbar hat ihm niemand gesagt, dass die Feststellung, Wasser sei keine gewöhnliche Handelsware, im ersten Erwägungsgrund der EG-Wasserrahmenrichtlinie, deren Bearbeitung in seine Zuständigkeit fällt, als Leitsatz enthalten ist.

Im übrigen zieht sich der Gedanke, Wasser nicht als Ware, sondern als schützens- und bewahrenswertes Erbe der Menschheit zu behandeln, durch immer mehr Erklärungen bedeutender Nichtregierungsorganisationen auf der ganzen Welt. Die Verarbeitung von Erfahrungen mit privaten Aneignungsstrategien im Wassersektor sollte in der Weltstadt Hamburg nicht mit Denkverboten beantwortet werden.

Ein besonders dreister Versuch, sich der Diskussion zu entziehen, ist die verschiedentlich geäußerte Behauptung, die Debatte um eine Privatisierung der HWW komme zur Unzeit. In diesem Zusammenhang wurde angeführt, sie könne Verhandlungen stören, womöglich den Verkaufserlös drücken. Wenn es keine Verhandlungen gäbe oder gegeben hätte, können sie auch nicht gestört werden. Für die wenigen potentiellen Kaufinteressenten ist die Verkaufsmöglichkeit der HWW längst kein Geheimnis mehr. Der eventuelle Kaufpreis wird ohnehin nicht öffentlich ausgehandelt.

Schließlich hat der Senat selbst über den öffentlich geäußerten Gedanken, die HWW könnten sich das Aktienpaket der E.ON an der Gelsenwasser AG aneignen, Privatisierungsgerüchten Vorschub geleistet.

Hamburgs Bürger dürfen erwarten, dass nicht nur im Weltsüsswasserjahr 2003, sondern grundsätzlich mit der Wasserversorgung als Kernaufgabe kommunaler Dienstleistungen verantwortungsbewusst und intelligent umgegangen wird. Die Bürgerschaftsdebatte ließ davon auf manchen Seiten nicht viel erkennen. Wenigstens hätte der Eindruck entstehen sollen, mehr Abgeordnete hätten eine Ahnung davon, was sie bereit sind, zu verspielen.

(Bezugnahmen und Zitate aus der Bürgerschaftssitzung nach Hamburger Abendblatt, Hamburger Morgenpost und taz Hamburg.)